VON DER NOTWENDIGKEIT DER SCHÖNHEIT
Ausstellung in der Künstlervereinigung Dachau
Brigitte Heintze
Einführung Dr. Renate Miller-Gruber, Kunsthistorikerin
13. Januar bis 29. Januar 2012
Münchner Merkur 15.1.2012
Einfach schön: Verwobene Strukturen
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Von Dr. Bärbel Schäfer
Dachau - Schönheit kann einen in voller Wucht treffen, sie kann aber auch im Kleinen und Unscheinbaren liegen. Schönheit kann die Ausnahme sein oder alltäglich. Schönheitsempfinden wird mit Ästhetik, Wahrheit und Wertvorstellungen gleichgesetzt.
Es ist absolut subjektiv, denn unter Schönheit versteht jeder etwas Anderes. Der Schriftsteller Christian Morgenstern sagte:" Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet." In der Kunst ist der Begriff von Schönheit allerdings seit dem 20. Jahrhundert als inhaltslose Ästhetik in Misskredit geraten.
In filigraner Komposition, schwereloser Linienführung, feiner Farbigkeit und dem Verhältnis von bezeichneter zu leerer Fläche offenbaren Heintzes Werke ihre Schönheit. Brigitte Heintze, die Malerei und klassische Gobelinweberei studiert hat, ist nicht dem offenkundig Sinn- und Augenfälligen auf der Spur, sondern dem Verborgenen und Subtilen, den feien Bewegungen und zarten Linien, die aus der Kraft der zeichnenden Hand erwachsen sind. Sie will mit Brüchen den Blick für die innere Schönheit schärfen. Obwohl viele Arbeiten ein kleines Format haben, ergeben sie im Überblick ein zusammenhängendes Ganzes.
Heintze lässt sich von Dingen und Begebenheiten inspirieren und beschreibt ihre Arbeiten als "Weiterentwicklung von Geschichten". Da ist zum Beispiel die Serie aus schlanken Radierungen mit dem Titel "Tidepool", die einen Hinweis auf unseren empfindlichen Zustand und fragile Ordnung geben, wie die Augsburger Kunsthistorikerin Dr. Renate Miller-Gruber in ihrer Einführung auf der Vernissage analysierte. Oder die Serie von kleinen quadratischen Blättern mit dem Titel "Nordmeer". In den farbig überarbeiteten Radierungen tauchen bekannte Motive wie Muscheln, Seesterne, Gräser und Wellen auf.
Die Arbeit "Zusammenstellung" fertigte Brigitte Heintze speziell für Dachau an. Grundlage bilden alte Drucke und bearbeitete Papiere, die die Künstlerin ähnlich einer Collage zusammenklebte und übermalte. Durch die Unregelmäßigkeit der grafischen Strukturen, die an Textilmuster erinnert, und die Farbigkeit, in der Schwarz, Gelb und Weiß dominieren, ergibt sich ein Spiel mit Räumlichkeit, mit Vorder- und Hintergrund. Die große Installation "Linha do tempo" besteht aus vielen einzeln gerahmten Blättern und füllt ein ganzes Kabinett. Die beiläufigen Zeichnungen auf Notizzetteln oder Papieren, wie man sie im Hotel oder unterwegs auf Reisen zur Verfügung hat, entstanden in Sao Paulo in Brasilien. Sie geben keinen konkreten Hinweis auf die Eindrücke der pulsierenden Großstadt, bilden nichts ab. Am ehesten weist die Farbigkeit darauf hin, die im Straßenbild präsent ist: Türkis. Gelb, Grün und Rosa. Die Farbe Rosa ist in Brasilien besonders häufig anzutreffen, auch an Bauzäunen. Der Charme der Arbeiten liegt im Arrangement. Sie sind so aufgehängt, dass sie an ein Wohnzimmer oder sogar Kinderzimmer erinnern. "Sie vermitteln uns die Idee von brasilianisch", so Renate Miller-Gruber.
Rosa dominiert auch in der Arbeit "Noli me tangere", ein malerisch anmutendes Bild mit grafischen Elementen. Ein filigranes Gewebe aus Linien, Bändern, Blüten und Muschelformen vermittelt den Eindruck von schwerelosem Schweben im Raum. "Rühr mich nicht an", wie der Bildtitel übersetzt lautet, weist auf den tieferen Gehalt der Schönheit hin: Egal, ob im Kleinen oder Großen, ist sie notwendig, weil sie zum Leben gehört und sie ist kostbar, weil sie durch Unachtsamkeit leicht zu zerstören ist.